Mittwoch, 12. November 2014

Aus dem Leben einer Zitrone

Der Tag heute begann für mich wie immer um 5 Uhr morgens, weil die buddhistischen Mönche im nahe gelegenen Kloster wie jeden Morgen angefangen haben, ihre Mantras zu singen. Also, das Leben neben einer Kirche ist ja nichts dagegen. Dies bisschen Gebimmel zur Messe gegen ich weiß nicht wie viele Männerstimmen, die so monoton vor sich hin brummen, tagein - tagaus.
Glücklicherweise schlief ich nochmals ein, das geht, wenn man das Gebrumm in seinen Traum mit einbaut, und sich beim Aufstehen am besten nicht mehr daran erinnert, was man geträumt hat. Um 6.30 Uhr dann aufstehen, den Workshop für heute vorbereiten, einen Kaffee von unten holen, wo wiederum 5 Kellner herum laufen, und immer noch ganz verdutzt sind, wenn ich einfach nur eine Banane esse, dann meinen Kaffee nehme und mich in den Hotelpark setze, um ihn dort zu trinken.
Heute stand auf dem Programm, zu den politischen Themen, die bisher angesprochen worden sind, in Gruppenarbeiten gemeinsame Papiere zu erstellen. Wohlgemerkt, wir reden immer noch von sechs Parteien und mittlerweile rund 30 TeilnehmerInnen. Nun muss ich aber nichts mehr groß erklären, alle schnappen sich das Thema, das sie am meisten interessiert, dann die großen Flipchartpapiere, und beginnen hochkonzentriert zu arbeiten.

In der Zwischenzeit bemalte ich, für meine lecture von heute Nachmittag selber Präsentationspapiere. Thema: "Föderalismus in Deutschland und Österreich im Vergleich!" Die Teilnehmenden  lieben zwar das gemeinsame Arbeiten, doch sind sie der Meinung, dass ich, wenn ich schon mal da bin, auch so viel wie möglich von meinem Wissen da lassen sollte. Also gut. Gerne bin ich eine Zitrone, die man nach Herzenslust ausquetschen kann. Bisher habe ich am Montag über Demokratie gesprochen, dann gestern über demokratische Parteienentwicklung und das Bilden von Allianzen, und heute dieses Thema, das wichtig ist, weil nach einer geeigneten, demokratischen Staatsorganisation gesucht wird, nämlich nach einer, durch die die Ethnien nicht systematisch diskriminiert und sprachlos gemacht werden können. Vielleicht ist ja eine föderalistische besser als ein Proporzsystem für Ethnien?

Die brennenden politischen Themen in Myanmar


Und weil die Zitrone ausgequetscht werden soll, werden sehr zügig die brennenden politischen Themen abgearbeitet, die Pausenzeiten werden nur verkürzt eingehalten, und dann soll auch schon präsentiert werden. "Machen wir weiter?", werde ich gefragt. Erstes Thema ist Land-Grabbing, hier geht es darum, dass alleine das Militär viele Acker Land genommen, oder etwa eine Taiwanesische Firma 18.000 Acker Land zum Bau einer Gaspipeline sich angeeignet hatte. Nun kann man dies theoretisch zurückfordern. Der Haken bei der Sache ist nur, dass man dafür einen rechtlichen Titel auf das Land vorweisen muss, also ein Stück beschriebenes Papier, das viele nicht besitzen. Gemeinsam wurde besprochen, wie man darauf reagieren kann, zum Beispiel, indem man mithilfe von wohlgesonnenen Abgeordneten solche Papiere produziert.
Die Bildungsgruppe
Dann wurde Bildung angesprochen, hier wird betont, wie wichtig eine gute Bildung und Ausbildung für das Land ist, besonders in ländlichen Regionen. Auch das Verkehrs- und Kommunikationswesen ist schlecht entwickelt, was wiederum die ländlichen Regionen stark benachteiligt. Die Zeit etwa, die ich gebraucht habe, um mit dem Flugzeug von Wien nach Mandalay zu fliegen, haben andere in anderen, abenteuerlichen Transportmitteln verbracht, um im Land nach Pyin Oo Lwin zu gelangen. Das ist, so sagen sie mit Recht, auch ein Problem für eine funktionierende Demokratie.

Dann Mittagspause
Dann Mittagspause. Ich bin nicht sicher, inwieweit die Fotos zeigen können, mit wie viel Humor das alles vonstatten geht. Leider kann ich immer nur mit Verzögerung mitlachen, bis Roi Nu den Witz übersetzt hat, doch warten alle immer ab, bis ich mich auch ausgelacht habe.Und noch etwas finde ich bemerkenswert, dass nämlich nur Konsenspapiere präsentiert werden, obwohl ich die Teilnehmenden mehrmals auch zur Diskussion und zum Dissens aufgefordert habe.

Im Bereich Landwirtschaft wurde über verschiedene Methoden diskutiert, mit denen man biologisch anbauen kann, und wo die Schwierigkeiten des Vertriebs und Marketings liegen. Hier besteht ein großer Wunsch nach Veränderung, denn viele Bauern sind verarmt und können ihre Produkte nur in ihrer Region verkaufen.
Die Ökonomie in Myanmar ist stark vom Drogenanbau abhängig, das wurde bereits bei der Präsentation der Zukunftsvision besprochen. Nur eine Zahl dazu: 400.000 Acker Land an der Grenze des Shan-Staates werden für Opiumanbau verwendet. Ich bin bei dieser Problematik kein Experte, doch wenn es stimmt, dass pro Acker nur 4 Kilo zusammen kommen, so werden dort immerhin 1,6 Millionen.Kilo "popies" produziert Die große Frage ist, welche Alternativen man den Bauern anbieten kann.
Zuhören, Übersetzen, Kommentieren
Für mich ist natürlich vieles neu von dem, was ich höre. Und ich bin absolut darauf angewiesen, dass Roi Nu mir alles genau übersetzt. Sie tut dies mit einer solchen Geduld, und sie scheint dabei niemals müde zu werden. "It's just my work", argumentiert sie, wenn ich mich wundere, dass auch sie keine Pause braucht.
Ok, aber vor meiner Lecture zu Föderalismus wird eine richtige Pause gemacht. Denn zu jedem Thema entbrannte eine lebendige Diskussion, wird sind etwas hinter dem Zeitplan. Aber was soll's, wir sind ja in Myanmar, und dort ist man gerne kreativ.
Nach 2,5 Stunden bin ich mit meinem Vortrag zu Föderalismus fertig. Besonders interessant war das österreichische Proporzsystem auf Länderebene, das ich erläutert habe. Nunmehr sind sich die Anwesenden völlig einig, dass ein ähnliches System,, das ihnen als Ethnien angeboten wurde, keine gute Lösung ist.
Lecture über Föderalismus

Nun ist mein heutiger Arbeitstag beendet. Nach einem Bierchen mit Manuel bin ich im Hotelzimmer angekommen und schreibe diesen Blogeintrag. Im Tagungsraum hat sich eine spontane Arbeitsgruppe gebildet, die noch en detail darüber sprechen will, warum die Bauern verarmen, und was man dagegen unternehmen kann. Sie haben noch Lust und Energie, aber die Zitrone ist nun leer für heute.
Im Hintergrund brummen die Mönche wieder ihre Mantras, und ich fühle mich irgendwie schon daheim hier. Und bin zwar ausgepresst im Moment, doch entspannt und zufrieden,

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