Montag, 3. November 2014

Warum und wieso?

Im Sommer dieses Jahres wurde ich von der Rosa-Luxemburg Stiftung angefragt, ob ich es mir vorstellen könnte, in Myanmar/Burma Demokratie-Workshops anzubieten. Ich sagte zu, deshalb halte ich mich vom 7.11. bis 21.11. in der Gegend von Mandalay auf.

Der Hintergrund: Die bis heute regierende Militärdiktatur befindet sich seit 2010 "im Übergang". Dies ist ein immer noch fragiler Prozess, an dessen Ende ein - wie auch immer verfasstes - demokratisches Staatsgefüge stehen könnte. 20 Jahre lang war das Land praktisch isoliert, und nun wird Schritt für Schritt geöffnet. Nur in welche Richtung?

Generell gilt, dass Demokratie niemals von alleine kommt, sondern erkämpft und erstritten werden muss. Hier wie dort. Wenn wir in einer Demokratie leben, wenn wir sagen und schreiben können, was wir so denken, und wenn wir Macht- und Kräfteverhältnisse durch Wahlen und andere zivile Initiativen ändern können, dann ist keineswegs garantiert, dass das so bleibt. Hier wie dort. Denn: Es muss Macht abgegeben und neu verteilt werden. 

Das gilt natürlich besonders für autoritäre Herrschaftsformen, die im Falle Myanmars nach einem demokratischen Zwischenspiel auf das Ende der englischen Kolonialherrschaft folgten. Von der "sozialistischen Republik" zum "Staatsrat für die Wiederherstellung von Recht und Ordnung (SLORC)", wie sich die Militärdiktatur 1988 bezeichnete, später dann "Staatsrat für Frieden und Entwicklung" (bis 2010). Zudem kämpften seit dem Ende der Kolonialzeit die verschiedenen - in der Kolonialzeit "konstruierten" - Ethnien um mehr Unabhängigkeit und regionale Autonomie. Oft militärisch und auch gegeneinander.
Aus dieser Gemengelage heraus bilden sich nunmehr neue Parteien, zumeist mit ethnischem Hintergrund, ideologisch nicht sehr festgelegt. Und sie sind neugierig. Daher kommt es zu einem Workshop, den ich mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gestalten werde, und zu vielen Kontakten.
In den folgenden Tagen werde ich, soweit es mir möglich ist, von meinen Erfahrungen, Eindrücken und Gesprächen berichten.

Da ich mich rund um Mandalay aufhalten werde, habe ich mich ein wenig umgehört, wer sich bislang noch so mit dieser Gegend beschäftigt hat. So habe ich mich bereits mit Wolfram Schaffar und Helmut Lukas getroffen, und die Lage im Land besprochen.

In der Literatur und Kunst taucht Mandalay bei Rudyard Kipling, dem Autor des Dschungelbuchs auf, und bei Brecht und Weill.
Und weil ich immer schon die Musik von Kurt Weill gemocht habe, freue ich mich sehr über diese Musikfundstücke: Der Song von Mandalay, hier in einer klassischen Version von Max Raabe und seinem Palastorchester und in einer modernen Version gespielt vom Willem Breuker Kollektief. Der Text zur Musik stammt von Bert Brecht.
(Max Raabe und das Palastorchester, Song of Mandalay (1928))

Dort heißt es unter anderem:
"Rascher, Johnny he! Rascher, Johnny he!
Stimmt ihn an, den Song von Mandelay.
Liebe, die ist doch an Zeit nicht gebunden,
Johnny, mach rasch, denn hier geht's um Sekunden,
Ewing nicht stehet der Mond über dir, Mandelay,
Ewing nicht stehet der Mond über dir."


Brecht spielt dabei ironisch auf das Gedicht "Mandalay" von Rudyard Kipling an, in dem dieser die romantische Liebe eines englischen Soldaten zu einer Burmesin erhöht. "Come you back, you British soldier; come you back to Mandalay!" ruft die Frau in dem Gedicht von Kipling. Bei Brecht steht in Mandalay "Mutter Goddams Puff", denn die Wirklichkeit war eine andere. Die Briten befanden sich in der Zeit, in der der Text von Kipling geschrieben wurde, im dritten englisch-burmesischen Krieg, sie töteten die "schönen Fremden", beuteten ihr Land aus, teilten und beherrschten es. Mandalay fungiert in Kiplings Gedicht als Spiegel exotistischer Fantasien, beeindruckt von der Schönheit und dem Reichtum eines Landes und der Menschen, die dort lebten, die man zugleich beraubte und in Abhängigkeit trieb. Heute ist Myanmar eines der ärmsten Länder der Welt, das Bruttoinlandseinkommen beträgt zirka 1400 Euro pro Jahr pro Kopf, nach dem Human Development Index steht Myanmar auf Platz 150 der Welt.

Übrigens stammt das berühmte Brechtzitat  "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?" eigentlich aus dem Musical "Happy End", in dem der "Mandalay Song" den dritten Akt eröffnet.

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