Samstag, 15. November 2014

Unser Statement zur Situation ethnischer Minderheiten in Myanmar

Dann wurde es im Workshop noch einmal spannend. Am Freitag stand die praktische Umsetzung unserer vielen Diskussionen, Gespräche, Übungen und Vorträge auf dem Programm: Ein gemeinsames Statement aller Anwesenden, sowie ein Vorschlag, adressiert an die Rosa-Luxemburg-Stiftung, für ein weiteres Zusammentreffen und die Bitte, weiterhin parteiübergreifend zu unterstützen, sollten ausgearbeitet werden.
Eine Vorbereitungsgruppe arbeitet
Auch am Ende der 5 Tage war ich noch aufgeregt, ob sozusagen auf den letzten Metern noch ein Problem auftauchen könnte, das ich die Tage übersehen hätte. Mit Roi Nu an meiner Seite flitzte ich zwischen den beiden Vorbereitungsgruppen hin und her, die sich auf dem Gelände der Karen Baptisten-Gemeinde verteilt hatten, um in Ruhe diskutieren zu können. Ich wollte zuhören, wie die Diskussionen verlaufen und, falls nötig, eingreifen. Doch war meine Sorge völlig übertrieben, denn die Gruppen arbeiteten zielstrebig, konzentriert und gelassen. Übrigens hatte sich die sehr interessierte und gebildete Frau des Pfarrers mittlerweile zu uns gesellt, am Anfang wollte sie nur zuhören. Und dann vernahm ich sie plötzlich auch reden. Später hat sie mir gestanden, dass sie, sicher um die 70 Jahre alt, zuvor noch nie an einem politischen Treffen teilgenommen hat, aber das Thema und die reizenden Menschen hätten sie diesmal doch dazu motiviert.

Die Idee zu einem solchen Text kam folgendermaßen zustande: Nachdem wir die UNO-Menschenrechtserklärung vom Dezember 1948 auf Birmesisch Absatz für Absatz gelesen und besprochen hatten, die weiterhin der Standardtext ist, wenn man sich auf Menschenrechte bezieht, bat ich die Teilnehmenden, ihre Lebenssituation und die ihrer jeweiligen ethnischen Gruppen in Myanmar daraufhin zu überprüfen, inwieweit die Menschenrechte hier eingehalten werden. Allein die sechs anwesenden Parteien könnten, vorsichtig geschätzt. 11,5 Millionen Menschen repräsentieren, bei einer Staatsbevölkerung von etwa 53 Millionen. Noch weitere 20 Parteien haben sich bisher als Parteien der ethnischen Minderheiten registriert, und sie könnten zusammen genommen durchaus ein neuer Machtfaktor im politischen Leben Myanmars werden.

9 Forderungen gegen die systematische Unterdrückung ethnischer Minderheiten in Myanmar


Das Ergebnis der Gruppenarbeiten zur Menschenrechtssituation war allerdings bedrückend. Es ist eine systematische Diskriminierung der nicht-dominierenden Ethnien festzustellen, sie beginnt bereits damit, dass diese Gruppen als Ausländer angesehen und behandelt werden, was Probleme bei der Registrierung als Staatsbürger und als WählerInnen nach sich zieht - und es reicht bis dahin, dass der Opiumanbau bewusst in Gegenden angestrengt wird, wo sie sie sich ansiedeln. Geringere Bildungs- und Jobchancen, wenn man sich zu seiner Ethnie bekennt, sind allen Anwesenden ebenso bekannt.
Das Dokument mit Unterschriften
Von daher fordern die sechs Parteien in ihrem Statement auch sehr konkret, dass diese Diskriminierung beendet gehört: Ihre Forderungen lesen sich in einer vorläufigen Übersetzung ins Englische wie folgt:

"1.) In order to vote all ethnic minority voters over 18 should be treated equally and should get Identity- Card.
2)  All ethnic minorities should get land titleship and licenced form [Die Forderung richtet sich gegen das weit verbreitete Land-Grabing in Myanmar]
3) Freedom to express culture and cultural norms
4) Self-determination of ethnic groups
5) Equality rights for indigeneous people
6) Self-administration of natural ressources
Alle Anwesenden unterschreiben
7) Promote and empower education on different angles
8) Immediate action on drug-problem
9) To apply and practise proteced law for all ethnic minorities."

Außerdem wurde der Vorschlag für einen Kongress aller ethnischer Minderheitenparteien im März 2015 ausgearbeitet, der im Shan-State stattfinden soll. Für diesen wurden unter anderem das Thema Bildung und die "heiße" Drogenproblematik als Themen vorgeschlagen. Die Anwesenden werden bis dahin Kontakte zu den anderen Parteien nutzen beziehungsweise suchen, so dass dieser Kongress eine politische Außenwirkung haben könnte. Jedenfalls haben wir auch darüber diskutiert, dass Medien eingeladen werden sollen.
"Relief" - und die Frau des Pfarrers mittendrin
Schließlich waren wir alle erleichtert. In jeder Ecke des Gebäudes wurde gelacht, gescherzt und sicherlich um die tausend Fotos gemacht, in immer neuen Kombinationen. Da die Rosa-Luxemburg-Stiftung vor Ort ein Kontaktbuch erstellt hat, fiel das sonst obligatorische Adressenaustauschen aus, und man konnte nach Herzenslust feiern.
Doch gab es inmitten dieses großen Tohuwabohus auch einen stillen Moment, der mich berührt hat. Als ich meinen Rucksack zusammen packen, und meine Workshopdokumentation zusammen suchen wollte, fand ich drei Personen, am Boden kniend, die alle Präsentationen auf Papier sorgfältig, ja fast andächtig, zusammen rollten. Dann standen sie auf, lachten mich an, überreichten mir die Rollen, und sagten einfach: "Danke!"
ein stiller Moment



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